Pflege des erkrankten Kindes: Freistellung / Arbeitslohn etc.
Jeder kennt das Problem: die Eltern müssen zur Arbeit. Doch der Sohn / die Tochter ist fiebrig, hat sich übergeben oder ähnliches – kurz: ist krank. Wie ist das dann mit der Arbeit ? Können die Eltern frei bekommen? Und bekommen sie trotzdem bezahlt ?
1. unbezahlter Urlaub
Grundsätzlich besteht bei Kindern bis zu 12 Jahren ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung bis zu 10 Arbeitstage im Jahr pro Kind (§ 45 Abs. 2 S. 1 SGB V). Bei Alleinerziehende verlängert sich der Zeitraum auf bis zu 20 Arbeitstagen. Insgesamt ist er aber gedeckelt auf maximal 25 Arbeitstage im Jahr. Freistellung heisst hierbei lediglich, dass der Arbeitgeber unbezahlten Urlaub gewähren muss.
Der Anspruch auf unbezahlte Freistellung hat folgende Voraussetzungen:
- die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes ist nach ärztlichem Zeugnis erforderlich
- eine andere im Haushalt lebende Person kann das Kind nicht beaufsichtigen, wobei diese Person subjektiv und objektiv zur Pflege in der Lage sein muss
- das Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet
Der Freistellungsanspruch ist zwingend und kann auch vertraglich nicht abbedungen werden.
2. Bezahlung: Arbeitslohn von Arbeitgeber ?
Für die ersten fünf Tage im Jahr besteht häufig (aber nicht zwingend) eine Lohnfortzahlungsanspruch:
Gem. § 616 Abs. 2 BGB besteht ein Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers selbst dann, wenn er nicht arbeitet und folgende Voraussetzungen vorliegen:
Er ist
- durch einen nicht in seiner Person liegenden Grund
- ohne sein Verschulden
- für eine verhältnismäßig nicht unerhebliche Zeit
verhindert, seiner Arbeitsverpflichtung nachzukommen. Es ist also eine Ausnahme vom Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1978 ist hieraus folgende Regelung herzuleiten:
Es besteht ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf bezahlte Freistellung zur Pflege eines erkrankten Kindes
- von bis zu 5 Arbeitstagen pro Jahr
- wenn andere im Haushalt des Arbeitnehmers lebende Personen nicht zur Verfügung stehen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte damals als weitere Voraussetzung festgelegt, dass das Kind nicht älter als 8 Jahre sein darf.
Ob diese Voraussetzung heute noch gilt, ist im Hinblick auf § 45 Abs. 3 SGB V fraglich. Diese regelt einen Freistellungsanspruch bis zum 12. Lebensjahr. Es ist vermutlich zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht in einem neuen Fall diese Altersgrenze übernehmen würde.
3. Ausschluss einer Bezahlung
ACHTUNG: im Tarif- oder Arbeitsvertrag kann aber abweichend von dieser Regelung vereinbart werden, dass grundsätzlich kein Vergütungsanspruch betreffend der Pflege von erkrankten Kindern besteht. Dies ist häufiger hinter der Formulierung versteckt, dass die Vergütungspflicht nach § 616 BGB ausgeschlossen ist.
Wenn eine solche Formulierung in Ihrem Arbeitsvertrag steht, besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch des sein Kind pflegenden Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin.
3. Bezahlung: Krankengeld von Krankenkasse)
Für alle Eltern, die gesetzlich krankenversichert sind, existiert ein gesetzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung bei der Betreuung kranker Kinder
Die Voraussetzungen sind zunächst dieselben wie bei der unbezahlten Freistellung, also
- die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes ist nach ärztlichem Zeugnis erforderlich
- eine andere im Haushalt lebende Person kann das Kind nicht beaufsichtigen, wobei diese Person subjektiv und objektiv zur Pflege in der Lage sein muss
- das Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet.
In dieser Zeit besteht für die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer ein Kinderpflege-Krankengeld „Kinderkrankengeld“). Dies 10 (oder mehr) Tage werden wie beim Freistellungsanspruch nicht nach Kalendertagen, sondern nach Arbeitstagen berechnet.
Das Kinderkrankengeld beträgt – wie das Krankengeld des Versicherten bei eigener Arbeitsunfähigkeit – 70 % des beitragspflichtigen Arbeitsentgeltes und darf 90 % des Nettoentgelts nicht überschreiten (§ 47 SGB V).
4. für den Arbeitgeber: Erstattung durch Krankenkasse (U-Verfahren)
Eine Erstattung dieser Beträge durch die Krankenkasse ist bisher nicht bekannt. Gerichtliche Entscheidungen hierzu liegen uns derzeit nicht vor. Wir müssen Sie jedoch leider davon informieren, dass wir davon ausgehen, dass eine solche Erstattung nicht erfolgt. Die Umlage der Krankenkasse ist ausdrücklich auf die Entgeltfortzahlungspflicht bezogen ist. Das „Kinderkrankengeld“ hat seinen Rechtsgrund jedoch nicht im Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern in § 616 BGB bzw. § 45 SGB V.
Hierbei hat die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers Vorrang gegenüber der Zahlungspflicht der Krankenkasse. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, besteht somit wohl in den ersten 5 Tagen eine entsprechende Lohnfortzahlungspflicht trotz der Regelung des § 45 SBG V.
Insoweit ist der Arbeitgeber auch gezwungen, auf einem Kinderpflege-Krankengeldantrag die von ihm bezahlten Tage der Freistellung zu bescheinigen.
Verfasser: Rechtsanwalt Peter Ewald
RA Peter Ewald ist Partner der Kanzlei E²S² Rechtsanwälte und Fachanwälte Ewald . Scherer . Geyer-Stadie . Kuhn, Maistr. 12, 80337 München